Isabel Kobus - Literatur - Leseprobe Wahre Liebe

Wahre Liebe

von Isabel Kobus


„Ich hab da was Neues“, sagt der Dealer. Er legt drei farbige Säckchen auf  meinen Küchentisch. Sehen aus wie dieses Wassereis, das man selber einfrieren kann. Nur kleiner.

„Verkaufst du jetzt Kinderkram?“, sage ich.

Er lacht. „Das Product-Design kann noch optimiert werden“, sagt er, „ist `ne ganz neue Sache.“

Er richtet seinen nikotingelben Zeigefinger auf eines der Tütchen. „Wahres Glück“, sagt er, „das blaue heißt ‚Wahre Entspannung‘ und das rote ‚Wahre Liebe‘“

 „Wahre Liebe?“

„Dachte ich’s mir, dass dich das anmacht.“ Er grinst süffisant. „Das Tolle an dem ist: du kannst es auch jemand anderem verabreichen.“ Er nimmt das rote Ding und hält es mir vor die Nase. „Das Zeug da drin ist durchsichtig. Schmeckt nach nichts. Kannst du deinem Typen in den Drink kippen, wenn er auf‘m Klo ist.“

„So ein Liebeszauber?“, sage ich, „da glaub ich nicht dran.“

Der Dealer verdreht die Augen. „Das ist eine bewusstseinserweiternde Droge, Schätzchen“, sagt er.

„Will heißen?“

„Also, wenn du LSD nimmst und scheiße drauf bist, gehst du auf einen miesen Trip. So ist das auch hier. Wenn der Typ dich total abtörnend findet, bringt das nichts. Aber wenn da was ist an Gefühl, dann wird das bewusstseinsmäßig erweitert. Auf wahre Liebe. Einfache Sache eigentlich, reine Hirnchemie.“

„Hm“, sage ich.

„Das ist das Richtige für dich“, sagt er, „ich kenn dich doch. Hundertsiebzig Tacken pro Einheit. Ich geb dir zwei für dreihundert. Für deinen Typen und dich.“

„So viel Geld hab ich nicht“, sage ich.

Er lehnt sich zurück und kratzt an seiner grün behemdeten Brust herum.

„Zweihundert“, sagt er, „und wir vögeln ein bisschen.“

„Vergiss es“, sage ich. Nicht, dass ich’s nicht nötig hätte. Hector ist seit zwei Wochen nicht vorbeigekommen, und wenigstens mal angefasst zu werden wäre was Schönes. Aber ich kann ja mit keinem mehr außer Hector. Weil ich dann immer nur an ihn denke.

„Eine reicht mir“, sage ich.

„Es sollen aber beide nehmen. Ist so vorgesehen.“

„Unlogisch“, sage ich, „ich liebe den Mann doch schon.“

„Der Kunde ist König“, sagt der Dealer, „tu, was du nicht lassen kannst.

 

Als ich Hector vor vier Monaten kennengelernt hatte, war er verrückt nach mir. Hat mir alles Mögliche versprochen: Zusammen nach Neuseeland fahren, auf dem Mond spazieren gehen, was man halt so verspricht. Letztlich haben wir die gemeinsame Zeit nur im Bett verbracht. Da war es ziemlich gut. Hätte man dabei belassen können. Blöderweise hat er diese Wirkung auf mich. Seine Küsse fühlen sich genau richtig an. Seine Hände berühren mich auf genau die Art, die zu meiner Haut passt. Und jedes Mal leuchtet etwas in mir, wenn ich ihn sehe. Das geht über meinen Verstand. Leider geht Hector auch über meinen Verstand: Seit er gemerkt hat, dass ich für ihn entflammt bin, brennt er nur noch auf Sparflamme. Beziehungsphobiker, sagt meine beste Freundin. Hab danach gegoogelt. 15 700 Ergebnisse. Keines davon hat wirklich geholfen.


(...)

Die ganze Geschichte ist veröffentlicht in Das Beste aus 15 Jahren Federleicht, hrsg. von der AG Literatur der Braunschweigischen Landschaft, Braunschweig 2019

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